Man kann sich unser Gehirn als ein riesiges Straßennetz vorstellen. Wir fahren über viele dieser Straßen, aber es gibt immer wieder Straßen, die wir noch nie befahren haben und die wir nicht kennen. Als wir jung waren, haben wir immer neue Wege
entdeckt. Wir sind viel über Autobahnen gefahren, weil es schnell und einfach war. Wir sind auch durch den Wald gelaufen, sind über Feldwege gefahren, haben Brücken überquert. Es war aufregend, so viele Straßen vor uns zu sehen und wir konnten sie alle nutzen.
Irgendwann, vielleicht während der Schulzeit oder auch schon davor, wurde uns gesagt, dass es gefährlich sei, durch den Wald zu laufen. Auf den Landstraßen gab es viele Seitengassen und auf den Autobahnen hätten wir viel langsamer fahren sollen. Oft werden wir durch gut gemeinte Ratschläge in unserem Lernen behindert. Deshalb haben wir uns daran gewöhnt, immer die gleichen Straßen zu laufen oder zu befahren. So konnte uns nichts passieren. Wir hatten auch Angst, neue Straßen zu befahren. Wir wussten nicht, wohin sie gingen. Oder wir hatten Angst, uns selbst zu verlieren, und könnten nicht zu unseren alten Gewohnheiten zurückkehren. Wir haben vergessen, wie es war, die Wege unseres Gehirns zu entdecken. Wir haben vergessen, wie es war, die Strassen unseres Gehirns immer wieder zu entdecken. In unserem Gehirn dürfen wir alles entdecken und sehen. Aber wir trauen uns selbst nicht mehr. Wir wissen, was wir wissen, und das reicht uns. Wir sehen den Reichtum des Wissens nicht mehr.
In jedem Moment unseres Lebens können und sollten wir weiter lernen. Wir können und sollten auch die Wege nutzen, die wir nicht kennen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Straßen und Wege mit Gras überwuchert werden. Der Weg zu mehr Wissen bleibt uns verborgen. Früher oder später können wir sogar krank werden.
Was können wir tun, um unsere Angst zu überwinden? Wie können wir zu der Erkenntnis gelangen, dass die Straßen in unserem Gehirn für uns ungefährlich sind? Was können wir tun, um in uns die Lust zu wecken, wieder lernen zu wollen, wieder voranzukommen, wieder Neues entdecken zu wollen?
Wir müssen manchmal Gärtner spielen. Zuerst müssen wir Gras und Unkraut von den Straßen entfernen. Wir können das erreichen, indem wir unsere Gewohnheiten jeden Tag ein wenig ändern. Wenn wir es gewohnt waren, unsere Zähne mit der rechten Hand zu putzen, verwenden wir jetzt die linke Hand dafür. Wir können unsere Haare anders kämmen. Wir können die Treppen rückwärts hoch und runter gehen. Wir können einem Landstreicher einen Euro schenken (sofern wir das noch nie zuvor getan haben). Wir können zu Hause laut schreien oder einfach beim Spazierengehen singen. Alles, was wir jeden Tag anders machen, hilft uns, die Straßen vor uns sauber zu machen, damit wir sie begehen oder befahren und wieder neue Wege entdecken können.
Was hilft das? Indem wir unsere Gewohnheiten aufgeben, eröffnen sich neue Wege in unserem Leben. Eigentlich öffnen wir uns selbst für Neues. Wir wollen etwas anderes lernen. Mit der Zeit werden wir Dinge sehen, die wir vorher nicht gesehen haben. Wir werden Dinge riechen und hören, die wir vorher nicht für wahr gehalten haben. Aber alles war schon vorher da. Wir wollen über Straßen fahren, die wir noch nie zuvor befahren haben.
Durch kleine Veränderungen in unserem täglichen Leben können wir die Welt wieder so sehen, wie wir sie als kleines Kind gesehen haben. Wir werden neugieriger und haben weniger Angst. So lernen wir auch, wie man lernt.
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